Herausforderungen in schwierigen Zeiten: Krisen, Märkte und Preise

Kaum scheint die Corona-Pandemie überwunden zu sein, stellen uns stark gestiegene Rohkaffeepreise, gestörte Lieferketten und Putins Krieg in Europa vor neue Herausforderungen. Aber Genossenschaften sind dafür bekannt, dass sie besonders krisenfest sind.

Seit der Gründung unserer Genossenschaft kurz vor dem ersten Corona-Lockdown in Deutschland sind wir Krisen gewohnt. Schon unser erstes Geschäftsjahr wäre ohne Corona besser verlaufen, wenn Zusagen von Rohkaffeekunden nicht kurzfristig wieder storniert bzw. deutlich reduziert worden wären. Betroffen davon waren vor allem zwei Röstereien, die einen großen Teil ihres Umsatzes in Gastronomie und Hotelgewerbe erzielten und von heute auf morgen ihre Geschäftsgrundlage verloren hatten. Immerhin: die gestiegene Nachfrage nach hochwertigen Kaffees von Privathaushalten im „Homeoffice-Modus“ konnte die Ausfälle in unserem zweiten Geschäftsjahr weitestgehend kompensieren. Außerdem haben wir in den beiden ersten Jahren von Kursgewinnen beim Einkauf des Rohkaffees in US$ profitiert. So sind wir erfreulich gut durch die ersten zwei Jahre mit Corona-Krise gekommen. Doch kaum scheint die Pandemie überwunden zu sein, stellen uns stark gestiegene Rohkaffeepreise, gestörte Lieferketten und Putins Krieg in Europa vor neue Herausforderungen:

1. Rohkaffeepreise: Der weitaus größte Teil des weltweit gehandelten Rohkaffees wird an der Börse gehandelt. Der für unsere Kaffeequalitäten relevante Börsenpreise (New York „C“) ist von ca. 1,10 US$ je lb (1 lb = 453,59 g) im Jahr 2020 auf 2,58 US$ je lb im Februar 2022 gestiegen. Er hat sich somit innerhalb von 18 Monaten mehr als verdoppelt! Hauptgrund dafür ist, dass die Ernte 2021/2022 in Brasilien, dem mit Abstand größten und wichtigsten Exporteur von Arabica-Kaffee, aufgrund von Frost und Dürre viel schlechter ausgefallen ist als erwartet. Hinzu kommt, dass die Weltmarktpreise für Rohkaffee in den vergangenen 10 Jahren viel zu niedrig waren. Das hat dazu geführt, dass hunderttausende Kaffeebäuer*innen ihre Pflanzungen durch andere Produkte ersetzt haben oder mangels Alternativen in den Norden, z.B. nach Mexiko oder in die USA, emigriert sind. Auch in den Kaffeeanbaugebieten in Guatemala, die diesem Preisverfall ausgesetzt waren, lässt sich das seit einigen Jahren beobachten. Zumindest die letztgenannte Entwicklung wird so lange weitergehen bis die Preise wieder (dauerhaft) so weit steigen, dass sich der Anbau lohnt.

2. Gestörte Lieferketten: Rohkaffee wird fast ausschließlich in Seecontainern transportiert. Wegen anhaltender Corona-Lockdowns in einigen der weltweit größten und wichtigsten Containerhäfen Chinas (z.B. Shanghai) kommt es immer wieder zu Engpässen bei der Verfügbarkeit von Leercontainern und infolgedessen zu erheblichen Verzögerungen und steigenden Preisen im internationalen Seefrachtverkehr. Auch die hohen Erdölpreise machen sich bemerkbar.

3. Putins Krieg in Europa: Von allen Krisenszenarien haben wir diesen Krieg und seine Folgen am wenigsten für möglich gehalten. Die Folgen spüren wir alle und ein Ende ist nicht in Sicht. Die dramatisch steigenden Energiekosten und zweistelligen Inflationsraten – und der weiterhin nicht erkennbare Ausweg aus dieser Krise – führen einerseits zu einer deutlichen Kaufzurückhaltung. Betroffen davon sind insbesondere höherpreisige Produkte, zu denen auch Bio-Lebensmittel zählen. Andererseits führt die Krise über Zinsunterschiede zwischen der EU und den USA zu einer Schwächung des Euros gegenüber dem US-Dollar. Innerhalb von einem Jahr hat der Euro mehr als 15 % an Wert verloren und zwischenzeitlich den tiefsten Stand seit über 20 Jahren erreicht. Viele Rohstoffe, auch Kaffee, werden aber international in US-Dollar gehandelt, was den Import dieser Produkte weiter verteuert.

Was heißt das für DeLaSelva, unsere Produzent*innen in Guatemala und unsere Kunden hier?

Für DeLaSelva folgt daraus, dass sich der Einkaufspreis für den Rohkaffee aus Guatemala im Vergleich zu 2021 insgesamt um mindestens 68 % verteuert hat: Der Einkaufspreis für 1 lb BIO-Rohkaffee ist von 2,50 US$ in 2021 auf 3,50 US$ in diesem Jahr gestiegen. In US-Dollar ist das bereits eine Steigerung von 40 %. Gleichzeitig ist im Vergleich zum Vorjahr der Euro von 1,18 US$ auf jetzt 0,98 US$ je Euro gefallen. In Euro umgerechnet ergibt sich daraus die Verteuerung von 68 % alleine für den Rohkaffeeeinkauf – zusätzliche Mehrkosten für Transport und Lagerlogistik noch nicht eingerechnet. Davon konnten und können wir allerdings nur rund die Hälfte an unsere Rohkaffee-Kunden weitergeben, weil auch diese mit steigenden Preisen zu kämpfen haben, die sie nicht 1:1 an ihre Kunden weitergeben können. Hinzu kommt, dass der Euro auch nach den Vertragsabschlüssen noch einmal deutlich tiefer gefallen ist als wir in unseren Szenarien angenommen hatten und wir somit Kursverluste verbuchen müssen.

Bei unserem ersten Bio-Rohkakao Import dieses Jahr sieht es zum Glück besser aus, denn die Weltmarktpreise für Rohkakao waren von diesen Preissteigerungen nicht betroffen. Außerdem haben wir für die Erntevorfinanzierung bereits im Dezember 2021 die Hälfte des Einkaufspreises in US-Dollar an die Produzentenkooperative Aj ASIPASM überweisen, als der Euro-Kurs noch deutlich besser war. Zusammen mit der Prämie für die Bio-Zertifizierung ergibt sich daraus beim Kakao eine Preissteigerung von rund 25 % gegenüber dem Vorjahr. Auch hier liegen die Preisverhandlungen mit unseren Kunden schon länger zurück, sodass wir diese Mehrkosten nur teilweise weitergeben können.

Das Positive daran ist, dass der weit überwiegende Teil der Preissteigerungen unmittelbar den Produzent*innen zu Gute kommt. Die sprunghaft gestiegenen Preise bringen jedoch auch die Kooperativen in Bedrängnis. Es besteht dann die Gefahr, dass einzelne Mitglieder ihre Ernte an Zwischenhändler („Coyotes“) verkaufen, die kurzfristig höhere Preise bieten als die Kooperativen, die die Verträge mit ihren Kunden bereits zu Beginn der Erntesaison ausgehandelt haben. Geht die Kooperative dabei leer aus, kann sie ihre Kunden nicht bedienen. Es kann sein, dass sie dadurch gute Kunden verliert, die auch in Tiefpreisphasen gute Preise bezahlen. Das wiederum geht zu Lasten aller Mitglieder der Kooperative. Es ist daher sehr wichtig, hier in alle Richtungen ständig im Austausch zu bleiben und die unterschiedlichen Interessen bestmöglich auszubalancieren. DeLaSelva baut hier auf wechselseitige Loyalität, weil die Kooperative und mit ihr die Bauern sich darauf verlassen können, dass wir auch dann „mehr als faire“ Preise für richtig guten und nachhaltig angebauten Kaffee bezahlen werden, wenn die Weltmarktpreise wieder fallen.

Dieser faire Interessensausgleich mit wechselseitiger Loyalität der Partner gilt im Übrigen genauso für das Verhältnis zwischen DeLaSelva und unseren Rohkaffee- bzw. Rohkakao-Kunden hier. Und zwar ganz besonders, wenn diese selbst auch Mitglied unserer Genossenschaft sind. Genau darin sehen wir eine große Stärke unseres Genossenschaftsmodells, das außerdem von einer stetig wachsenden Zahl von „privaten“ Mitgliedern getragen wird, die wiederum von Rabattangeboten der verarbeitenden Betriebe (z.B. Elephant Beans, Georgia Ramon) profitieren. Unser nächstes Ziel ist es, auch die Kooperativen in den Anbauländern selbst als Mitglieder unserer Genossenschaft zu beteiligen.

Welche Lehren können wir daraus ziehen?

Wir müssen anerkennen, dass sich unsere Welt gerade auf dramatische Weise verändert. Die Krisen werden in Zukunft nicht weniger werden. Das war uns von Anfang an bewusst! Wir sind angetreten, um zumindest einen kleinen Teil dieser Veränderungen zu gestalten, mit der gezielten Unterstützung einer regenerativen kleinbäuerlichen Landwirtschaft, für mehr Klimaschutz und Artenvielfalt und bessere Zukunftsperspektiven für die Kleinbauernfamilien in den Ursprungsländern.

Genossenschaften sind dafür bekannt, dass sie besonders krisenfest sind. Was uns in der Krise hilft, sind starke, solide, verlässliche und loyale Partnerschaften. Und die breite Basis unserer Mitglieder.

Angesichts dieser Entwicklungen müssen wir flexibel bleiben und kreative Lösungen finden. Wir werden unsere Vertragsmodelle überarbeiten und uns besser gegen Währungsrisiken absichern – und weiterhin mit Augenmaß wirtschaften. In der Gemeinschaft sind wir stark und darum wollen wir weiter wachsen und unsere Genossenschaft auf eine breitere Basis stellen.

Danke, dass Du dabei bist und uns dabei unterstützt!

Und sind wir mal ehrlich, gerade in schwierigen Zeiten kann ein richtig guter Kaffee oder eine richtig leckere Schokolade wahre Wunder bewirken. Wir wollen, dass das auch in Zukunft so bleibt und dass das für die Erzeuger*innen genauso gilt, wie für uns Konsument*innen. Dann genießt es sich sogar noch besser!